"Wir haben Pionierarbeit geleistet"
Im vergangenen Jahr feierte die INTRAVIS GmbH ihr 30-jähriges Bestehen. In diesem Jahr folgt das nächste Jubiläum. Diesmal feiern wir 20 Jahre INTRAVIS Inc. Mit der Gründung der amerikanischen Tochtergesellschaft am 04.11.2004 wagte sich die INTRAVIS in ein großes Abenteuer, welches innerhalb von zwei Jahrzehnten eine starke, erfolgreiche Tochtergesellschaft hervorgebracht hat. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir uns mit Andreas Müller, dem CEO der INTRAVIS Inc., zum Interview getroffen.
Anfänglich war die INTRAVIS Inc. in Atlanta, Georgia nicht mehr als eine Zwei-Mann-Firma, bestehend aus Andreas Müller und seiner Frau Vera, die aus Aachen kommend den Auftrag hatten, die amerikanische Tochtergesellschaft aufzubauen. Bereits 2003 war die INTRAVIS GmbH auf der NPE in Chicago erstmals als Aussteller vor Ort. Damals wurde deutlich, dass eine amerikanische Tochtergesellschaft durchaus notwendig und sinnvoll ist, um auf dem amerikanischen Markt Fuß fassen zu können.
Mit den Jahren wuchs das Unternehmen und der Kundenstamm wurde größer. 2015 zog die INTRAVIS Inc. in die heutigen Räumlichkeiten, um dem gestiegenen Platzbedarf gerecht zu werden. Heute besteht das Team aus über 30 Mitarbeitern und zusätzlichen Servicestandorten in Mexiko und Brasilien. Insgesamt trägt die INTRAVIS Inc. einen beachtlichen Teil zum Erfolg der gesamten INTRAVIS bei.
Andreas, du bist seit der Gründung der INTRAVIS Inc. der Verantwortliche bei unserer Tochtergesellschaft. Beschreibe uns kurz die Anfangszeit. Welche Herausforderungen hatten du und deine Frau Vera damals zu meistern?
Die Anfangszeit war zunächst geprägt von ganz alltäglichen Problemen. Wir mussten uns um Sozialversicherungsnummern, eine Unternehmenslizenz und noch viele andere Dinge kümmern. Man kann sagen, dass wir dort Pionierarbeit für die INTRAVIS geleistet haben.
Ein Thema war zum Beispiel ein amerikanischer Führerschein: Wir hatten zunächst nur eine internationale Fahrerlaubnis. Das Kaufen eines Firmenwagens war damit kein Problem, aber die Kosten für die Versicherung waren mit der internationalen Erlaubnis fünfmal so hoch wie mit einem US-Führerschein. Also habe ich mich zeitnah um einen amerikanischen Führerschein bemüht.
Meine Frau Vera hat in der Anfangszeit das Büro betreut, während 90 % meiner Zeit von Service- und Vertriebsarbeit im Außendienst belegt war. In den ersten zwei Jahren hat Vera jeden Tag Unmengen an Cold Calls gemacht, die zu entsprechenden Terminen und später Kunden führten. Alle davon zählen auch heute noch zu unseren Kunden. Sie hat damit in einem sehr großen Maße zum Erfolg der INTRAVIS Inc. in den ersten Jahren beigetragen und ihr gebührt hohe Anerkennung dafür.
Wir fanden diese Zeit extrem spannend und aufregend. Wir haben alles als Herausforderungen angesehen, die wir möglichst erfolgreich meistern wollten. Eine Einstellung, die sich übrigens bis heute bei uns beiden nicht geändert hat und die wir versuchen an unsere heute Mannschaft weiterzugeben.
Mit der Zeit kamen dann die ersten amerikanischen Mitarbeiter in unser Team, die uns mit ihrer Erfahrung und ihrem Input unterstützten und so dafür sorgten, dass vieles noch mal einfacher wurde.
Bevor du die Leitung der INTRAVIS Inc. übernommen hast, warst du bei der GmbH als Service Engineer weltweit im Einsatz. Wie hat dir deine technische Erfahrung in der damaligen Zeit und beim Aufbau der Gesellschaft genützt?
Es hat gerade in der Anfangszeit sehr geholfen, dass ich unsere Anlagen von A-Z kannte. Aufgrund der Zeitverschiebung nach Deutschland war ich bei Serviceeinsätzen anfangs natürlich häufiger auf mich alleine gestellt.
Zusätzlich konnte ich die ersten eingestellten Servicetechniker dann selber anlernen und unterstützen, ohne dass wir immer von einer Rückmeldung aus Deutschland abhängig waren.
Ein weiterer Punkt, der durch meine Erfahrung als Service Engineer im Außendienst mit der Zeit in die Kultur der INTRAVIS Inc. übergegangen ist: „Wenn der Servicetechniker im Feld ein Problem hat, wird alles stehen und liegen gelassen und zuerst das Problem des Kunden gelöst!“. Denn: Die Zeit des Technikers vor Ort ist sehr begrenzt, weshalb es uns darum geht, den Kunden mit exzellenter Arbeit zu überzeugen. Das bedeutet dann eben auch, dass die Kollegen im Büro auch mal Aufgaben verschieben müssen, um dem Kollegen beim Kunden vor Ort zu helfen.
Eine Herausforderung der Anfangszeit war zudem, gut ausgebildete Techniker zu finden. Ich war es aus Deutschland gewöhnt, dass man eine Stelle damals per Anzeige in der Zeitung inserierte. Diese Anzeige hatten wir auch sehr präzise formuliert, da wir explizit Leute mit elektrischen und mechanischen Vorkenntnissen suchten. Als Ergebnis bekamen wir über 1.000 Bewerbungen, bei denen vom Koch bis zum Lokomotivführer alles dabei war.
Wir kamen dann zu dem Ergebnis, dass wir als kleines Unternehmen die Aufgabe des Recruitings an Spezialisten abgeben mussten. Durch Zufall traf ich einen Militär-Recruiter, der uns empfahl, unter den Veteranen aus dem Bereich der Instandhaltung zu suchen. Und tatsächlich fanden wir dort hervorragend ausgebildete Leute, die dazu noch ein extrem hohes Commitment zu ihrer Arbeit hatten. Dadurch haben wir noch heute viele Kollegen im Service, die ihre Ausbildung beim Militär erhielten.
Atlanta als Sitz der amerikanischen Tochtergesellschaft zu wählen war nicht zufällig, sondern sehr bedacht. Kannst du uns dazu ein bisschen mehr erzählen?
Zu der Zeit, als sich die INTRAVIS damit befasste in die USA zu gehen, gab es in Deutschland eine Zweigstelle des Departments of Economy & Development des Bundesstaates Georgia. Diese Zweigstelle hat sich damals extrem um uns bemüht und uns unterstützt. Sie haben uns beispielsweise an Anwälte, Steuerberater und Wohnungsmakler vermittelt, was den Start vor Ort natürlich sehr erleichterte.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der für Atlanta spricht, ist seine Lage mit dem größten Flughafen der Welt. Innerhalb von 2 Flugstunden erreicht man 80 % der Menschen in den USA und es gibt sehr gute Anbindungen nach Deutschland. Zudem haben wir bereits damals an die Zukunft gedacht und festgestellt, dass von Atlanta aus auch viele große Städte in Südamerika leicht und schnell zu erreichen sind.
Der nächste Punkt, der für Atlanta als Standort sprach, war die Zeitverschiebung. Während man in anderen großen Städten des mittleren Westens sieben oder acht Stunden Zeitunterschied nach Deutschland hat, sind es in Atlanta „nur“ sechs Stunden.
Ein ganz entscheidender Punkt war noch, dass sich rund um Atlanta eine sehr starke Kunststoffverpackungsindustrie angesiedelt hat und wir so unsere potentielle Kundschaft quasi vor der Haustür hatten.
Und der angenehme Nebeneffekt bei all diesen harten Punkten: Das Klima in Atlanta ist mit seinen milden Wintern sehr angenehm.
Und wie hat sich der amerikanische Markt in den letzten 20 Jahren entwickelt/verändert?
Der amerikanische Markt war schon immer stark. Selbst in Krisenjahren wie 2009 gab es einen stabilen Absatz für optische Prüfsysteme. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die INTRAVIS Inc. in jedem einzelnen Jahr seit ihrer Gründung gewinnbringend gearbeitet hat – ein Punkt der mich als CEO natürlich sehr stolz macht.
Was wir aber, speziell seit der Corona-Pandemie 2020, festgestellt haben, ist, dass die Kunden noch mehr auf einen hervorragenden Service achten. Während der Pandemie sind viele Mitarbeiter unserer Kunden aus der Verpackungsbranche abgewandert. Das hat dort zu einem Know-How-Verlust geführt, der durch Kundenservice aufgefangen werden muss.
Wir haben heute 20 Mitarbeiter, die im Service in Nord-, Mittel und Südamerika unterwegs sind, sowie Servicestandorte in Mexiko und Brasilien eingerichtet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Damit wir immer möglichst schnell auf alle Serviceanfragen unserer Kunden reagieren können.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Muttergesellschaft für den Erfolg der Tochtergesellschaft, und wie hat sich diese Beziehung im Laufe der Jahre entwickelt?
Die Zusammenarbeit war und ist natürlich komplett entscheidend für den Erfolg. Gerade in den ersten Jahren haben sich verschiedene Kollegen – angefangen bei unserem Corporate President Gerd Fuhrmann über den heutigen CMO, Markus Juppe bis hin zum heutigen COO, Karsten Vogel – extrem dem Erfolg der INTRAVIS Inc. verschrieben und uns unterstützt. Sie standen rund um die Uhr bei Fragen und Problemen zur Verfügung. Das hat es uns leichter gemacht Fuß zu fassen und zu wachsen.
Man muss aber auch sagen, dass das Wachstum der GmbH untrennbar mit dem Wachstum der Inc. verknüpft ist. Als wir in den USA starteten, war auch die GmbH in Deutschland mit ca. 30 Mitarbeitern noch recht klein.
Über die Jahre hat sich die Beziehung zwischen dem Haupthaus und uns gewandelt. War es anfänglich eher die Beziehung eines Elternteils zu seinem Kind, so ist es heute viel mehr eine partnerschaftliche Beziehung. Wir haben es geschafft, unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln und uns in vielen Bereichen so weit autark und selbständig aufzubauen, dass wir nicht mehr auf Rückmeldungen der GmbH angewiesen sind, um unsere Kunden zu bedienen. Dieses eigenständige Operieren ist für unsere Kunden ein großer Vorteil.
Was ich noch beeindruckend finde: Sowohl die GmbH als auch wir sind über die Jahre gewachsen und haben neue Strukturen und Abteilungen integriert. Und dennoch haben wir es in beiden Organisationen geschafft, diese gegenseitige Unterstützungshaltung aus den Anfangsjahren so tief zu verwurzeln, dass selbst Mitarbeiter, die erst seit kurzem dabei sind, sie wie selbstverständlich leben.
Was waren in den letzten 20 Jahren aus deiner Sicht die größten Highlights für die INTRAVIS Inc.?
Wenn man seit Gründung immer profitabel arbeitet, dann ist zuallererst natürlich jedes einzelne Jahr ein Highlight.
Dennoch gibt es da noch andere Punkte, auf die ich stolz bin: Zum Beispiel, dass wir mit Ideen aus unserem Markt immer wieder zum Portfolio der INTRAVIS beigetragen haben. Was die wenigsten vielleicht wissen ist, dass eines der erfolgreichsten Systeme im INTRAVIS-Portfolio – der Sample-PreWatcher – eine Entwicklung ist, die auf einem Bedarf des US-Marktes basiert.
Ich war 2008 mit Gerd Fuhrmann bei einem großen Preformhersteller der Ostküste, der exklusiv für den größten Softdrinkhersteller der Welt produziert. Dort sahen wir, dass für die Qualitätskontrolle von Preforms unzählige Leute eingespannt waren. Deshalb kam uns die Idee, dass man diesen ganzen Prozess der Qualitätskontrolle von Preforms automatisieren müsste, um die Bediener und die Unternehmen an der Stelle zu entlasten. Im Ergebnis hatten wir ein Jahr später den Sample-PreWatcher.
Heutzutage ist der Sample-PreWatcher ein absoluter Standard in der Industrie, den jeder große Preformhersteller in den USA in seiner Produktion einsetzt.
Und wo soll die Reise hingehen? Welche Vision gibt es für die nächsten 20 Jahre der INTRAVIS Inc.?
Das klingt jetzt nach dem typischen Kommentar eines Vertrieblers, ist allerdings unser kompletter Ernst: Wir wollen beim Service und der Customer Experience weiterhin die Führung in unserer Branche behalten und uns nicht auf dem ausruhen, was wir in den vergangenen 20 Jahren erreicht haben. Ich habe ja vorhin bereits gesagt, dass Exzellenz im Service gerade in den letzten Jahren noch einmal mehr an Bedeutung bei unseren Kunden gewonnen hat. Und natürlich wollen wir dieses Level weiter hochhalten.
Gleichzeitig wollen wir die Digitalisierung im Service voranbringen, um so noch besser und schneller auf die Ansprüche unserer Kunden reagieren zu können. Wir verstehen uns als wichtigen Katalysator in unserer Branche, um die Themen Digitalisierung und Service Exzellenz weiter anzuführen und auszubauen.
Wenn wir dies schaffen, dann bin ich mir sicher, dass wir auch weiterhin eine starke amerikanische Tochtergesellschaft innerhalb der INTRAVIS-Familie sein werden, die von Jahr zu Jahr weiter wächst.
Lieber Andreas, vielen Dank für das Gespräch.